Häusliche Gewalt
Heute wird Gewalt in der Familie und in der Ehe geächtet. Auch Kinder sind geschützt. Kinderschutz bedeutet, dass Kinder nicht geschlagen werden dürfen. Wer das tut, kann dafür angezeigt und verurteilt werden.
Auch zu Hause gelten die Gesetze
Auch zu Hause gelten die Gesetze.
Informationskampagne gegen Gewalt in der Familie.
(BMI)
Österreich ist das erste Land in Europa, das ein Gewaltschutzgesetz erlässt. Es tritt 1997 in Kraft und schützt alle Personen, die im familiären Bereich von Gewalt betroffen sind. Das ist unabhängig von Alter, Geschlecht, Familienstand und Beziehung zur gefährdenden Person.
In diesem Gesetz ist die sogenannte Wegweisung verankert. Darunter versteht man, dass die Polizei verpflichtet ist, eine gefährliche Person der Wohnung zu verweisen. Sie also wegzuschicken. Eine Person ist dann gefährlich, wenn von ihr eine akute Gefahr für Gesundheit, Leben oder Freiheit anderer ausgeht. Das ist ein großer Fortschritt. Dennoch passiert immer noch viel zu viel Gewalt.
Sicher ist häusliche Gewalt früher mehr toleriert worden. Dass es aber auch einmal zu viel werden kann, zeigt uns eine Scheidungsverhandlung vor einem kirchlichen Gericht in St. Pölten aus dem 19. Jahrhundert. Die Frau bekam recht, die Ehe wurde kirchlich (!) geschieden.
Frauenhelpline-Spot 2017: Keine Ausreden bei Gewalt
Was ist häusliche Gewalt?
Die Istanbul-Konvention (siehe Vitrine Gewalt an Frauen und Mädchen) bezeichnet als häusliche Gewalt alle Handlungen von Gewalt in der Familie und im Haushalt. Egal, ob sie zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder PartnerInnen vorkommt. Sie ist auch unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder nur hatte. Es geht um körperliche, sexuelle, seelische oder wirtschaftliche Gewalt.
Gewalt in der Ehe früher
Gewalt in der Familie, Gewalt an Frauen. Das hat es wohl immer schon gegeben. Und nicht erst im 20. Jahrhundert konnten Ehefrauen gegen Gewalt vorgehen. Ein Beispiel für eheliche Gewalt ist ein kirchliches Scheidungsverfahren aus St. Pölten ab 1858.
Siehe dazu in der folgenden Infobox: "Gewalt in der Ehe: kirchliche Scheidung"
Samstag-Abend
Samstag-Abend – Arbeiter-Abstinentenbund.
Postkarte. Wien um 1925.
(ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, Sign.: PLA16322040 POR MAG)
Gewalt in der Ehe: kirchliche Scheidung
Der Scheidungsfall Stockinger befindet sich in einem Aktenkarton des St. Pöltner Diözesanarchives. Das Aktenbündel hat einen Umfang von 762 Seiten!
Neu formuliert, gekürzt und angepasst findest du die Wiedergabe hier:
Es geht um den Ehemann Johann Stockinger und seine Frau Anna Maria. Er bedroht sie mit Schlägen, droht ihr, beschimpft sie und versperrt das Geld vor ihr. Er beschimpft auch die Ziehtochter seiner Frau und droht, sie aus dem Haus zu werfen. Es kommt zu wiederholten Androhungen von Schlägen an Frau und Ziehtochter. Die Ziehtochter, Rosalia, zieht tatsächlich aus. Mit weiteren gewaltsamen Mitteln versucht der Mann, jegliches Zusammentreffen seiner Ehefrau mit ihrer Tochter Rosalia zu unterbinden. Mehr als ein Jahr schlägt und demütigt er seine Frau. Einmal bewirft er sie mit einem Glas. Dann läuft er ihr und Rosalia bis auf die Gasse mit der Peitsche nach. Rosalia bringt sich schließlich um. Er wirft seine Ehefrau im Zimmer herum und schlägt ihr ins Gesicht. Ein andermal gibt er ihr einen Stoß. Sie fällt mit dem Gesicht auf die Tischbank. Ihr Kiefer ist darauf so geschwollen, dass sie tagelang nur Suppe zu sich nehmen kann. Mit groben Ausdrücken empfängt er sie, wenn sie nach Hause kommt. Er versucht, mit einem Laib Brot nach ihr zu werfen. Dann wirft er mit einem Salzfass nach ihr. Er droht ihr öfter, dass er sie aufhängen wolle. Das schwächt er aber beim Verhör ab: Er wollte sie nur schrecken.
Anna Maria bekommt die Scheidung zugesprochen. Allerdings zunächst nur auf 6 Jahre, als Trennung von Tisch und Bett. Danach muss Anna Maria um Verlängerung ansuchen. Sie tut das auch und erhält weitere 10 Jahre dazu. Weiteres ist leider nicht bekannt.
Hier findest du eine Masterarbeit mit dem Thema "(Un)Geliebte Pflegekinder.Mikrostudie eines Scheidungsverfahrens vor dem bischöflichen Ehegericht St. Pölten (1856-1863/73)" von Isabella Planer: