Weiterbildung für Mädchen
Die Frauen merken: Auch mangelnden Bildung ist schuld an den Benachteiligungen von Mädchen und Frauen. Aber der Weg in eine weiterführende Schule ist im 19. Jahrhundert für Mädchen zunächst verschlossen. Möglichkeiten für Bildung und Weiterbildung von Mädchen und Frauen ist daher eine der zentralen Forderungen der Frauenbewegung.
Heute können Mädchen in alle Schulen gehen, studieren und jeden Beruf ergreifen. Dank des Einsatzes der Frauenrechtlerinnen dafür!
Ein Mädchen muss nur eine gute Hausfrau werden?
Lange Zeit heißt es: Mädchen sollen nur lernen, was eine gute Hausfrau wissen muss. Warum ist das so? Und wer hat das bestimmt? Heute lernen sowohl Mädchen als auch Buben etwas über die Führung eines Haushaltes. Das Ziel ist ja, alle arbeiten gemeinsam für ihren gemeinsamen Haushalt. Ist das schon selbstverständlich?
Haushaltungsschule: Beim Verzieren der Torten
Fritz Zvacek (1905-1975): Haushaltungsschule. Beim Verzieren der Torten.
Foto. Um 1935.
(ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, Sign.: Z 5002 POR MAG)
Lebens- und Berufsvorbereitung
Haushaltungs- und Nähschulen für Frauen und Mädchen entstehen. Mädchen und Frauen werden auch zu Kindergärtnerinnen ausgebildet. Sie können auch Lehrerinnen werden.
Frauen werden nun auch Musiklehrerinnen oder können eine Kunstschule besuchen.
Die Lehreinnenbildungsanstalt
Mädchen können ab 1878 eine Bürgerschule besuchen. Wenn es eine in ihrer Nähe gibt. Sie können danach auch Lehrerin werden. Dazu müssen sie eine Lehrerinnenbildungsanstalt besuchen. Die Lehrerinnenbildungsanstalt für Niederösterreich ist damals in Wien I., Hegelgasse.
Wenn eine Frau danach unterrichten will, darf sie aber nicht heiraten! Man nennt das den „Leherinnenzölibat“.
Die Lehrerinnenbildungsanstalt für Niederösterreich in Wien
Erwin Pendl (1875-1945): Wien I., Hegelgasse. Blick von Kreuzung Fichtegasse Richtung Schwarzenbergstraße (Nr.14: Lehrerinnenbildungsanstalt).
Foto, Schwarz-Weiß-Negativ. Wien 1897.
(ONB, Bildarchiv und Grafiksammlung, EP 1177 C POR MAG)
Die Weiterbildung der Arbeiterinnen
Der Arbeiterinnen-Bildungsverein verbreitet Wissen unter den Arbeiterinnen. Gegründet und geleitet wird er von sozialdemokratischen Frauen wie Adelheid Popp. Die Frauen erhalten auch Lehrbücher. Manche von ihnen lernen jetzt erst lesen und schreiben. Viele weitere Fächer ergänzen das Angebot.
Dieser Verein existiert nicht lange. Er geht in einem Lese- und Diskutierclub auf. Auch dieser existiert nur wenige Jahre. Es gibt aber immer Nachfolgevereine. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie Bildung anbieten. Die politische Schulung der Frauen und Mädchen ihnen ein Anliegen.
Die höheren Bildungsanstalten für Mädchen
Die Frauenrechtlerin Marianne Hainisch fordert bei einer Rede 1870 erstmals das Recht von Mädchen auf gymnasiale Bildung. Und diese Rede bewirkt tatsächlich etwas: Langsam öffnen sich auch für Mädchen alle Bildungswege. Hainisch fördert die Mädchenbildung. Sie ist an der Gründung einer vierklassigen höheren Bildungsschule für Mädchen maßgeblich beteiligt. Die Schule richtet der Wiener Frauen-Erwerb-Verein ein.
Weitere neue Lehrgänge und Schulen entstehen. Frauenrechtlerinnen setzen sich für das Recht auf umfassende Weiterbildungsmöglichkeiten ein. Auch Mädchen und Frauen sollen maturieren und studieren können.
Die erste höhere Schule für Mädchen in Niederösterreich ist das Mädchenlyzeum Mödling 1901. Es folgen Baden, St Pölten und Wiener Neustadt.
Gymnasien für Mädchen
Marianne Hainisch fordert das Recht von Mädchen auf gymnasiale Bildung. Darauf eröffnet 1892 in Wien die erste gymnasiale Klasse für Mädchen mit 30 Schülerinnen. Es gibt zu der Zeit bereits 77 Bubengymnasien.
Maturaklasse des Mädchengymnasiums Wenzgasse in Wien 1916
Wien 13, Wenzgasse 7. Mädchenoberschule: Mädchen der Maturaklasse des Maturajahrganges 1916 zusammen mit den Lehrern.
Foto. Wien 1916.
(ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, Sign.: Pk 3002, 6016E POR MAG)
Frauenrechtlerinnen machen Druck. Endlich wird 1896 Mädchen die Matura ermöglich. Die meisten Buben-Gymnasien weigern sich, Mädchen aufzunehmen. Immerhin bestehen die ersten Mädchen im Gymnasium Hegelgasse in Wien I. die Matura. Wenigstens im zweiten Anlauf. Sie dürfen aber nicht in ihrer Schule geprüft werden. Sie müssen die Matura im Akademischen Gymnasium ablegen. Das ist eine Bubenschule. Stell dir das vor! In eine fremde Schule bei fremden Lehrern eine schwere Prüfung ablegen zu müssen. Die ersten fünf Mädchen lassen die Prüfer durchfallen. Eine davon springt deswegen in die Donau. Sie kann aber gerettet werden und macht mit ihren Kolleginnen wenige Wochen später in Prag die Prüfung mit Auszeichnung. Nach Prag und Graz weichen dann viele zur Matura aus.
Der Unterrichtsminister schränkt 1910 die Teilnahme von Mädchen in Knabengymnasien wieder ein. Die Mädchen dürfen nur zuhören, aber keine Fragen stellen. „Damit sie die Knaben nicht stören.“ Und sie dürfen nicht geprüft werden. Nur 5 % einer Klasse sollen Mädchen sein.
Wieder setzen sich Frauenrechtlerinnen gegen dieses Unrecht ein. Eugenie Schwarzwald eröffnet 1911 ein achtklassiges Mädchengymnasium. Das ist die erste Schule dieser Art in Österreich. Mädchen können dort in die Schule gehen. Sie können dort auch die Matura machen.
Erst nach dem I. Weltkrieg werden Mädchen in öffentliche Gymnasien aufgenommen.
Das Mädchenlyzeum in Wiener Neustadt
In Wiener Neustadt kommt das so: Bürgerinnen und Bürger setzen sich für die Errichtung einer höheren Mädchenschule ein. Sie veröffentlichen Anfang 1914 einen Aufruf dazu in einer Regionalzeitung.
Ein Zeitungsausschnitt aus Wiener Neustadt zeigt uns den Start einer Mädchenschule. Viele Menschen engagieren sich privat. So wird das Ziel erreicht.
Viele Menschen lassen sich überzeugen. Sie spenden und helfen mit. Und so bekommt Wiener Neustadt als letzte große Stadt in Niederösterreich noch im gleichen Jahr ein Mädchenlyzeum.
Emma Haberl ist eine der Initiatorinnen des Mädchenlyzeums Wiener Neustadt. Sie ist die wohl bedeutendste Persönlichkeit in den Gründungs- und Frühphase der Schule.
Aus Lyceen werden später Gymnasien und diese stehen Mädchen und Buben heute gleichermaßen offen. Wie auch alle anderen Schulen in Österreich.
Die Handelsakademien für Mädchen
1907 wird die erste Wiener Handelsakademie für Mädchen gegründet.
Jahresbericht der Wiener Handelsakademie für Mädchen, Schuljahr 1909/10
Private Höhere Handelsschule „Handelsakademie“ für Mädchen in Wien: Jahresbericht für das Schuljahr 1909/10 der Privaten Höheren Handelsschule „Handelsakademie“ für Mädchen in Wien und Einjähriger „Abiturientenkurs für Mädchen“.
Jahresbericht. Wien 1910.
Elektronische Reproduktion. Wien 2012.
(ÖNB, Magazin Heldenplatz, Sign.: 535118-B NEU MAG)