100 Jahre Niederösterreich – Fokus Frauen
Die ersten demokratischen Wahlen in der jungen Republik wurden nach den Grundsätzen des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes für beide Geschlechter durchgeführt. Diese galten natürlich auch bei den Landtagswahlen. Das war ein Wendepunkt der Geschichte im Sinne der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
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Allgemeine Themen:
Themen Landtag, der Landesverfassung, dem Sitzplan im Landhaus, u.v.m:
1922–2022 FRAUENLEBEN IN NIEDERÖSTERREICH
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums hat das Bürger*innentheater in der Spielzeit 2021/22 unter dem Titel 1922–2022 FRAUENLEBEN IN NIEDERÖSTERREICH eine theatrale Tiefenschürfung zur Aufarbeitung von Frauengeschichten in Niederösterreich unternommen. Basierend auf Recherchen in den Archiven, auf Dokumenten sowie auf Interviews werden die unterschiedlichen Porträts von Frauen quer durch die Generationen der letzten 100 Jahre beleuchtet. Im Video erinnern sich die Schauspieler*innen an ihre Großmütter und lenken so den Blick auf Frauenschicksale.
Ein Projekt von Nehle Dick und dem Bürger*innentheater
©Hannah Strobl (Video) und Bürger*innentheater Landestheater Niederösterreich
1922
Am 1. Jänner 1922 tritt das Trennungsgesetz zwischen Wien und Niederösterreich in Kraft. Frauen stellen mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten.
Karte der niederösterreichischen Viertel und Bezirke, (c) creative commons, wikipedia.de
Zum Zeitpunkt der Trennung sind schon drei Frauen als Abgeordnete im Niederösterreichischen Landtag:
Maria Kraichel
Maria Kraichel, verwitwete Brunner 1918; Porträt Brunner Maria, altes biogr.Archiv Stadtarchiv Baden.
Maria Kraichel geb. Triletty, verwittwete Brunner *1878 Baden +1954 Wien gehört zu den 6 weiblichen Abgeordneten zum Niederösterreichischen Landtag der Ersten Republik.
Sie gehört der SDAP an. (Die SDAP ist die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die Vorläuferpartei der SPÖ). Sie arbeitet als Beamtin in der Buchhaltung. Ihr erster Mann stirbt. Später heiratet sie ein zweites Mal. 1918 kommt sie in den Gemeinderat von Baden. Sie ist von 1919 bis 1927 Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag. 1947 wird sie aus der SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) ausgeschlossen und tritt zur KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) über.
www.noe-landtag.gv.at/personen/uuid/0917b401-a93a-46dc-89cb-6c7bbeaf28a3
www.museumnoe.at/de/das-museum/blog/frauenportrait-17
Kathi Graf
Katharina Graf; Stadtarchiv Amstetten, Fotosammlung
Katharina Graf geb. Jaklitsch *1873 Capodistria (Istrien)+ 1936 Amstetten ist 1919 die erste weibliche Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag. 1922 wird sie als erste Frau für Niederösterreich auch in den Bundesrat berufen. Sie gehört der SDAP an. (Die SDAP ist die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die Vorläuferpartei der SPÖ). Katharina Graf ist zunächst Dienstmädchen. Dann heiratet sie den Bahnbeamten Graf. Da sie nun Hausfrau ist, steht ab nun bei ihr unter der Rubrik Beruf „Gattin eines Bahnbeamten“.
Sie arbeitet als Gemeinderätin in Amstetten.1919 kommt sie in den Niederösterreichischen Landtag, 1922 ist sie kurz auch Mitglied des Bundesrates. Im Niederösterreichischen Landtag bleibt sie, bis 1934 die SDAP verboten wird.
www.noe-landtag.gv.at/personen/katharina_graf
www.fraueninbewegung.onb.ac.at/node/1933
Anna Holzer
Anna Holzer geb. Feichtinger * Gmünd 1871 +Krems 1952 gehört zu den ersten weiblichen Abgeordneten im Niederösterreichischen Landtag der CsP (Die CsP ist die Christlichsoziale Partei, sie ist die Vorläuferpartei der ÖVP). Sie wird Gemeinderätin in Krems und dann von 1921 bis 1934 Abgeordnete im Niederösterreichischen Landtag. Sie ist zunächst Lehrerin, heiratet dann, ist Hausfrau und hat vier Kinder. Der Beruf Hausfrau und Professorsgattin steht auch in ihrem Lebenslauf!
Edith Blaschitz in www.raumforscherinnen.at/frauen/anna-holzer/
www.de.wikipedia.org/wiki/Anna_Holzer
www.noe-landtag.gv.at/personen/anna_holzer
1. Sitzung des NÖ Landtages 10.11.1920 mit zwei weiblichen Abgeordneten in der 1. Reihe Mitte, Hermann Riepl, 50 Jahre Landtag von Niederösterreich, Band 1
Auf dem Foto vom 10. November 1922 im niederösterreichischen Landhaus in der Herrengasse in Wien sind zwei Frauen in der Mitte zu sehen.
Foto: „50 Jahre Landtag von Niederösterreich“, Band 1, Dr. Hermann Riepl, NÖ Landesbibliothek, zwei weibliche Abgeordnete in der 1. Reihe, Mitte
1927
Bei den NÖ Landtagswahlen kommen erstmals sechs weibliche Abgeordnete in den Landtag. Immerhin ein Zehntel aller Abgeordneten. Damals gibt es 60 Abgeordnete.
Nun gibt es insgesamt sechs Frauen im NÖ Landtag, neu dazugekommen sind: Franziska Rösel, Pauline Hautz und Josephine Welsch
Franziska Rösel
Franziska Rösel geb. Weiser * Würmitz 1870 + 1934 ist eine der ersten weiblichen Abgeordneten zum Niederösterreichischen Landtag für die CsP (Die CsP= die Christlichsoziale Partei, sie ist die Vorläuferpartei der ÖVP). Franziska Rösel arbeitet als Bedienstete. Sie wohnt sie in Korneuburg und ist dort als Gemeinderätin aktiv. Von 1925 bis 1927 ist sie als Abgeordnete im Niederösterreichischen Landtag tätig.
www.noe-landtag.gv.at/personen/franziska_roesel
www.de.wikipedia.org/wiki/Franziska_R%C3%B6sel
Pauline Hautz
Pauline Hautz 1921; Stadtarchiv Wiener Neustadt
Pauline Hautz geb. Hirt * 1880 + 1934 Wiener Neustadt ist Abgeordnete zum niederösterreichischen Landtag in der Ersten Republik.(Die SDAP ist die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die Vorläuferpartei der SPÖ). Pauline Hautz arbeitet als Beamtin in Wiener Neustadt. Sie wirkt in Wiener Neustadt zwischen 1919 und 1930 auch als Gemeinderätin und ist von 1926 bis 1927 Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag.
wwww.noe-landtag.gv.at/personen/pauline_hautz
www.de.wikipedia.org/wiki/Pauline_Hautz
Josefine Welsch
Josefine Welsch; Arbeiterinnen-Zeitung 1930 Heft 4 S 12
Josefine Welsch (Mädchenname unbekannt) * 1876 Wien + 1959 Wien ist in der Ersten Republik von als Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag für die SDAP tätig. (Die SDAP ist die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die Vorläuferpartei der SPÖ). Josefine Welsch arbeitet als Manipulantin in einer Stickerei. Sie heiratet den Friseur Welsch, ab da ist sie im Haushalt tätig und ihre Berufsbezeichnung später ist dann: Friseursgattin, Haushalt. Ihre politische Karriere begann sie als Gemeinderätin in Liesing, das damals zum Bereich des Niederösterreichischen Landtages gehört. Sie wr von 1927 bis 1934 im Niederösterreichischen Landtag tätig. Die Welschgasse in Wien-Liesing ist nach ihr benannt.
www.noe-landtag.gv.at/personen/josefine_welsch
www.de.wikipedia.org/wiki/Josefine_Welsch
Arbeiter Zeitung 22 Sept 1929 S 24
Josefine Welsch schrieb Artikel über die Armut der Frauen; 1928 Die Unzufriedene 8 Sept S 3
Erste Frauen
Die ersten Frauen im niederösterreichischen Landtag legten ihr Augenmerk auf soziale Themen. Viele Menschen waren damals in unserem Land sehr arm und hatten kaum genug zu essen. Die Politikerinnen engagierten sich für Arme, Mütter und Kinder sowie die Arbeitsbeschaffung für Arbeitslose. Sie sorgten sich um den Schutz von Mädchen und unterstützten die Hebammenausbildung. Ein warmes Essen am Tag für Schulkinder und die Versorgung von Säuglingen mit dem Notwendigsten war ihnen ebenfalls ein Anliegen. Sie forderten auch Hilfe bei Not von Bauernfamilien.
Es gibt zu dieser Zeit in den niederösterreichischen Städten bereits Sozialleistungen: Ausspeisungen für arme Kinder und einiges mehr. So überreicht die Stadt Hainfeld und ein paar größere Städte Müttern ein Wäschepaket für Säuglinge.
Schüler-Ausspeisung in den 20er Jahren; Stadtarchiv Hainfeld
1932
Nun gibt es nur mehr 56 Abgeordnete im Landtag, davon drei Frauen.
- Josefine Welsch, Friseursgattin, Liesing
- Anna Holzer, Professorsgattin, Krems
- Kathi Graf, Bahnbeamtensgattin, Amstetten
1933
Durch das Doppelverdiener-Gesetz müssen Beamtinnen ihren Beruf aufgeben. Das sollte die Staatsfinanzen entlasten. Auch das Lehrerinnenzölibat (die Ehelosigkeit für Frauen im Schuldienst) wird wieder eingeführt.
1934
Nach den Februarkämpfen kommt es zur Verfassung des „christlichen Ständestaates“. Alle gewählten Mandatare und damit auch die Frauen sind aus dem politischen Leben verschwunden. Die Gleichstellung von Mann und Frau in der Verfassung wird relativiert.
In den 30-er Jahren wird die Frau gerne ausschließlich als Hausfrau dargestellt; Blatt der Hausfrau 1933-1934 Heft 6 S 1
1938
Mit Einmarsch der Nationalsozialisten am 12. März wird auch das Landhaus in der Wiener Herrengasse von den Nationalsozialisten übernommen.
1939
Der Zweite Weltkrieg beginnt. Die Verfolgung von Jüdinnen und Juden, Gegnerinnen und Gegnern beginnt auch in Niederösterreich. Bekannte Vertreter des ersten Transportes aus Niederösterreich in das KZ Dachau sind Josef Reither und Leopold Figl. Viele weitere Niederösterreicherinnen, Jüdinnen, Romni und Sintezas, lesbische Frauen oder Zwangsarbeiterinnen und Gegnerinnen werden in den folgenden Jahren vom NS-Regime ausgegrenzt, misshandelt, verfolgt und ermordet.
Ein bekanntes Beispiel aus Niederösterreich ist Schwester Restituta (Helene Kafka), Operationsschwester im Krankenhaus Mödling. Sie weigert sich, Kreuze in den Krankenzimmern abzuhängen und wird 1943 hingerichtet.
Externer Link: www.de.wikipedia.org/wiki/Maria_Restituta_Kafka
Es wird ein mütterlich-traditionelles Frauenbild propagiert. Kinderreiche Frauen erhalten als Auszeichnung das Mutterkreuz. Das gilt nur für als „arisch“ eingestufte Frauen. Tatsächlich werden zunehmend mehr Frauen als Arbeitskräfte für die Produktion von Rüstungsgütern eingesetzt. Auch Frauen sind aktiv als Täterinnen, als Mitwisserinnen und stille Unterstützerinnen an den Verbrechen der Nazi -Zeit beteiligt. Frauen leisten aber auch Widerstand gegen das Regime.
Siehe auch: Ein Nein ist ein Nein...
1945
Kriegsende und Neuanfang
Der Zweite Weltkrieg endet. Der Frauenanteil ist nun sehr hoch, da viele Männer gefallen, vermisst oder in Gefangenschaft geraten sind. Die sogenannten „Heimkehrer“ sind psychisch schwer belastet. Es kommt zu einer enormen Scheidungsrate nach 1945. Die Frauen stellen rund 60 Prozent der Wählerschaft. Bei den Wahlen werden in der Nachkriegszeit besonders die Hausfrauen umworben. Der Frauenanteil im Niederösterreichischen Landtag spiegelt den hohen Frauenanteil in der Bevölkerung nicht wieder. Bei der ersten Nationalratswahl wird Leopold Figl Wahlsieger und Bundeskanzler. Mit Helene Postranecky bekommt Österreich 1945 die erste Staatssekretärin.
www.austria-forum.org/af/AEIOU/Postranecky%2C_Helene
www.fraueninbewegung.onb.ac.at/node/1593
In St. Pölten bildet sich nach dem Krieg ein überparteiliches Frauen-Komitee.
Über den Wiederaufbau in Niederösterreich; Neues Österreich 1945 / 18. Mai S 4 über Wiederaufbau
1948
Zenzi Hölzl aus Gloggnitz wird die erste Bürgermeisterin Niederösterreichs.
Siehe auch: Frauenbewegungen, 1. Frauen in der Politik, 1. Frauen in der Gemeindepolitik
1953
wird eine NÖ Zweigstelle der österreichischen Hausfrauen in Krems errichtet.
www.planet-wissen.de/gesellschaft/familie/beruf_hausfrau/index.html
1955
Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages.
Schulkinder in Hainfeld feiern den Staatsvertrag 1955; Stadtarchiv Hainfeld
1970
Anna Körner wird erste Landesrätin in NÖ
Anna Körner, Stadtarchiv Gmünd
1975
Familienrechtsreform: Der Mann ist nicht mehr gesetzliches Oberhaupt der Familie.
www.de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fe_Familienrechtsreform
1982
in den 80er und 90er Jahren bildet sich in St. Pölten eine Gruppe von Frauenaktivistinnen. Ihr Ziel scheint die Errichtung eines Frauenhauses gewesen zu sein. Das erste Frauenhaus wird in Wiener Neudorf eröffnet und übersiedelt später nach Mödling.
Es entstehen weitere Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen in Niederösterreich. Link zu Fraueneinrichtungen in NÖ https://www.noe.gv.at/noe/Frauen/beratungundhilfe.html)
www.noe.gv.at/noe/Frauen/frauenhaeuser.html
1992
Liese Prokop ist die erste Landeshauptmann-Stellvertreterin in Niederösterreich.
Das Frauenreferat des Landes NÖ wird eingerichtet.
Siehe auch: Frauen in Bewegung, 1. Frauen in der Politik, Frauen in der Landespolitik
1997
Das „Unabhängige Frauenforum“ (UFF) stellt ein Frauenvolksbegehren. 1997 tritt das NÖ Gleichbehandlungsgesetz in Kraft. Sein Gültigkeitsbereich erstreckt sich auf alle Bediensteten des Landes, der Gemeinden und der Lehrer u. Lehrerinnen im Land NÖ.
www.noe.gv.at/noe/Gleichbehandlung-Antidiskriminierung/00-Festbroschuere-Fotos.pdf
1998
Errichtung der NÖ Gleichbehandlungskommission
Die NÖ Landesausstellung widmet sich den Frauen: aufmüpfig und angepaßt - Frauenleben in Österreich.
www.noe.gv.at/noe/Gleichbehandlung-Antidiskriminierung/NOE_Gleichbehandlungskommission.html
Die erste Ausstellung im neuen Landesarchiv St. Pölten gilt ebenfalls den Frauen. Gertrude Langer-Ostrawsky kuratiert „Spurensuche-Frauengeschichte im Archiv“.
2004
Die Niederösterreicherin Liese Prokop wird die erste Innenministerin.
Die NÖ Landesregierung hat sich mit Beschluss vom 9. März 2004 zur Verankerung von Gender Mainstreaming als verbindliches Leitprinzip der Politik und der Verwaltung im Land Niederösterreich bekannt.
www.noe.gv.at/noe/Frauen/Gender_Mainstreaming.html
2007
wurde erstmals der „Liese Prokop-Frauenpreis“ für außergewöhnliche Leistungen von Niederösterreicherinnen überreicht. Preisträgerin ist Maria Loley, die sich für Flüchtlinge einsetzt.
Siehe auch: Frauen bewegen, Frauen in der Landespolitik, Liese Prokop
www.liese-prokop-frauenpreis.at/
2013
Ausstellung im damaligen NÖ Landesmuseum: Ausnahmefrauen
Kuratorin: Alexandra Schantl
www.susannewengerfoundation.at/de/ausnahmefrauen-christa-hauer-hildegard-joos-susanne-wenger-1
2014
Ausstellung im damaligen NÖ Landesmuseum: Frauenleben in Niederösterreich, kuratiert von Elisabeth Vavra
2016
Start des Politik Mentoring Programmes des Landes NÖ
www.noe.gv.at/noe/MentoringLand.html
2017
Erste Landeshauptfrau in Niederösterreich: Johanna Mikl-Leitner
2022
Abgeordnete im Landtag: In der Gesetzesperiode XIX, 2018 sind im Landtag von insgesamt 56 Abgeordneten 16 weiblich, das sind knapp 29 Prozent.